Nach Widerständen aus den Ländern vor der Zusammenlegung der neun Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) 2020 schien zunächst Ruhe einzukehren. Die Ankündigung von Milliarden Einsparungen, die Funkstille, die einem ungestörten Aufbau interner Zentralstrukturen dienen sollte und eine mehr als bescheidene Nebenrolle der ÖGK im Rahmen der Corona-Pandemiebekämpfung brachten die separatistischen Diskussionen fast zum Erliegen. Wären nicht zusehends Dinge öffentlich geworden, die alles andere als eine Erfolgsstory zeichnen. Die damals zuständige Ministerin, die später die versprochene „Patientenmilliarde“ als PR-Gag outet, die Honorarverhandlungen mit den Vertragsärzten, die nach wie vor auf Länderebene ablaufen und deren Abschlüsse von der ÖGK- Zentrale, wie schon jahrzehntelang vom Hauptverband gewohnt, in die Länge gezogen werden – dieses Mal aufgrund der Zentralmacht noch dezidierter. Die einheitliche Diagnosen-Codierung, die, obwohl gesetzlich beschlossen, ebenso nicht umgesetzt wurde wie ein einheitlicher vertragsärztlicher Leitungskatalog für das gesamte Bundesgebiet. Besonders aber die schweren Servicedefizite, unter denen die Versicherten in den Bundesländern leiden, haben Betroffene, Zivilbevölkerung und politische Vertreter auf den Plan gerufen, die am liebsten den Reset-Knopf drücken würden und die alten regionalen Gebietskrankenkassen wieder herbeisehnen. - Bestärkt durch die leidvolle Erfahrung einer ausgedünnten vertragsärztlichen Versorgung, horrender Wartezeiten vor und in den Gesundheitseinrichtungen. Die resultierende Flucht in die Privatmedizin und ein Run auf die Krankenhausambulanzen knappert am jahrzehntelangen Erfolgsimage der sozialen Krankenversorgung. Ein Buhmann war, nach dem prognostizierten Finanzdebakel der ÖGK rasch gefunden. Von dort soll nun scheinbar der große Befreiungsschlag erfolgen.
Dem Versorgungskonzept des Bundes mit „digital vor ambulant vor stationär“ soll Leben eingehaucht werden. Nachdem die Neuausrichtung der Hotline 1450 auch bei optimistischer Einschätzung bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein sein kann und die seit Jahren der Stagnation wieder anlaufende Weiterentwicklung von ELGA die Versorgungsfragen nicht lösen wird, soll ein neues ÖGK-Konstrukt Rettung bringen. Gesucht wird, so kann man einer Ausschreibung entnehmen, ein Partner der ÖGK zur Gründunge einer GmbH und Bereitstellung eines österreichweiten, telemedizinischen ärztlichen Angebots. Der gesuchte Mitgesellschafter soll umfassendes technisches und organisatorisches Knowhow in die als selbständiges Ambulatorium geführte Firma einbringen, die gemeinschaftlich betrieben, im Rahmen eines Public-Private-Partnership-Modells wirtschaftlich geführt werden soll.
Dass die ÖGK dabei Mehrheitsgesellschafter bleiben wird und die Gesellschaft gemeinnützig, also nicht auf Gewinn ausgerichtet ist, soll dem Partner offenbar nichts von seinem unternehmerischen Elan nehmen. Und Elan wird der gesuchte jedenfalls brauchen. Schließlich soll er eine zentrale Rolle im Unternehmensaufbau übernehmen. Zudem liegen Betriebsführung und Management des Ambulatoriums aber auch die Bereitstellung und der Betrieb einer Telemedizin - Plattform in den Händen des Minderheitsgesellschafters. Dass dieser seine Ambitionen nur streng am Willen der Sozialversicherung orientiert und den gesetzten Rahmen einhält, soll nicht nur die Eigentümerstruktur in der GmbH garantieren. Die ÖGK will ein doppelt abgesichertes Mitspracherecht: In der strategischen Geschäftsführung der gemeinsamen Firma ebenso, wie durch einen separaten Leistungsvertrag mit dem gesuchten Partner, in dem besonders die Leistungspflichten des Mitgesellschafters und die Vergütung seiner Leistungen durch die Betriebsgesellschaft paktiert sind. Diese Gesellschaft soll das selbständige Ambulatorium für Telemedizin betreiben und Partnerin für Patientinnen und Patienten wie auch Ärztinnen und Ärzte sein. Mit einem allgemeinmedizinischen Angebot will man beginnen. Eine Ausweitung auf andere Fachgebiete und auch auf nichtärztliche Leistungen sei geplant, so die Ausschreibung. Zu diesem Zweck wird die Gesellschaft eine krankenanstaltenrechtliche Bewilligung beantragen. Worin die medizinischen Leistungen des Ambulatoriums letztlich bestehen könnten, lässt sich in der Ausschreibung einer „Markterkundung ÖGK – Telemedizin“ vom Herbst letzten Jahres bestenfalls erahnen. Finden sich dort zumindest Schlagworte wie Terminplanung, Qualitätssicherung, technische Hotline, Patientensteuerung und Serviceleistungen für Ärztinnen und Ärzte.
Etwas konkreter wird es wohl die Bewilligungsbehörde wissen wollen, die letztlich in ihre krankenanstaltenrechtliche Beurteilung auch den Bedarf nach den angebotenen medizinischen Leistungen einfließen lassen muss. Dies setzt voraus, darzulegen, wo der Bedarf nach Leistungen der geplanten Krankenanstalt gegeben ist, um beim zuständigen Amt einer Landesregierung vorstellig zu werden. Schwer zu interpretieren ist deshalb in der vagen Beschreibung des Unternehmenszwecks auch, dass das Angebot des Ambulatoriums in Zukunft allen Anspruchsberechtigten der Krankenversicherungsträger in Österreich zur Verfügung gestellt werden soll. Schließlich liegt die Ausführungskompetenz für Krankenanstalten bei den Bundesländern. Die sind es aber, die sich von der zentralen ÖGK in Stich gelassen fühlen, die noch immer die verlorene Regionalität beklagen. Ob sie einen Kompetenzverlust im Bereich der Krankenanstalten zulassen werden, ist jedenfalls offen. Ebenso natürlich auch die grundsätzliche Frage nach der Sinnhaftigkeit einer ambulanten Krankenanstalt, die nichts anderes vorhat, als Anbieter und Nachfrager von Gesundheitsleistungen auf einer Plattform zusammen zu führen. Deshalb darf vermutet werden, dass das geplante Ambulatorium über rein informierende und koordinierende Plattformleistungen hinaus auch ärztliche Fernbehandlungen an konkreten Patientinnen und Patienten anbieten wird. Ob als Ergänzung oder in Konkurrenz zu bestehenden Versorgungseinrichtungen wird die Zukunft weisen.