Kurz, aber mit Potential

 

So könnte man, ohne mit dem Namen des Bundeskanzlers spielen zu wollen, das Kapitel „Gesundheit“ in der Regierungserklärung zusammenfassen. Die Seiten 264 – 270 des 326 Seiten starken Paktes der beiden Regierungsparteien sind der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, dem Gesundheitssystem und den dort Tätigen gewidmet. Ein Platzangebot von sieben Seiten oder 2% des politischen Fünfjahresprogramms für die Prävention zur Gesunderhaltung, zum Angebot der Behandlung im Krankheitsfall, für die Erhöhung der in Gesundheit erlebten Lebensjahre der Österreicherinnen und Österreicher. 2% für das beruhigende Gefühl, dass alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig von Krankheitsrisikos und finanziellen Möglichkeiten im Anlassfall qualitativ hochwertig versorgt sind. 2% aber auch für einen Wirtschaftsbereich, in dem knapp über 10% des BIP ausgegeben werden und von einer halben Million Beschäftigten eine ähnlich hohe Wertschöpfung erwirtschaftet wird.

 

Soweit die politische Realität. Was für uns Ärztinnen und Ärzte, für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitssystem aber besonders für Kranke und deren Angehörige als wichtig und unverzichtbar gilt, scheint in der Zusammenschau aller politischen Themen ein unbedeutender Nebenschauplatz zu sein. - Zur Erinnerung: Das war in jedem Regierungsprogramm so und hatte schon immer irritiert!

 

Und trotzdem findet sich in den fast tabellarischen Aufzählungen Zukunftspotential, sind Notwendigkeiten festgeschrieben, die von der Ärzteschaft schon jahrelang aufgezeigt und gefordert wurden. „Verantwortung für Österreich“, so die Überschrift zum Regierungsprogramm 2020–2024, bekennt sich klar zur wohnortnahen Versorgung durch niedergelassene Kassenärztinnen und Kassenärzte, zur Attraktivierung der Gesundheitsberufe, zur Digitalisierung, Stärkung des Gesundheitsstandorts Österreich und  - die Botschaft hör ich wohl - zu mehr Zeit für die Angehörigen von Gesundheitsberufen in den Kontakten zu Patientinnen und Patienten.

 

Im Detail finden sich Ansätze zur Einführung von „Health Care Management“ und „Public Health“, wie sie in vielen entwickelten Staaten schon lange etabliert sind. Der Hausarzt soll, als Facharzt für Allgemeinmedizin, von jedem Bürger im Rahmen eines Einschreibesystems gewählt, die Bevölkerung als erster Ansprechpartner in allen Gesundheitsbelangen und Krankheitsfällen versorgen. Anreizsysteme sollen den Umstieg schmackhaft machen.

 

Zudem bekennt sich die neue Bundesregierung zur integrierten und zur abgestuften Versorgung mit flexiblen Kooperationsmodellen, zur landärztlichen Niederlassungsförderung, einschließlich einer gezielten Offensive zur Niederlassung von Fachärztinnen und Fachärzten.

 

Langjährige Forderungen der Ärzteschaft finden sich im Bereich der Prävention mit der Aufwertung und Kompetenzerweiterung der Schulärztinnen und Schulärzte, samt der Verwertung anonymisierter Daten. Dem Wissen, dass Vorsorge und Gesundheitsbewusstsein im Kindesalter begonnen und gefestigt werden muss, entspricht auch die Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Pass zum Eltern-Kind-Pass bis zum 18. Lebensjahr. Die Pläne zur Etablierung von finanziellen und sachlichen Anreizsystemen für gesundheitsfördernde Maßnahmen und für die Teilnahme an Präventionsprogrammen wie Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen sind zu begrüßen.

 

Ein durchaus richtiger Ansatz liegt in den Überlegungen das klinisch praktische Jahr (KPJ) als letztes Jahr des Medizinstudiums mit den ersten Monaten der postpromotionellen Ärzteausbildung abzustimmen, Inhalte des „Basisjahres“ in das KPJ zu integrieren, um ohne Wiederholungen und Doppelgleisigkeiten Zeit für die Facharztausbildung zu gewinnen. Beides, die Straffung der Ausbildung und eine finanzielle Abgeltung der Versorgungsleistung der Studierenden im KPJ könnten ein Teil der angedachten Maßnahmen gegen die Abwanderung von Fachkräften ins Ausland sein.

 

Forderungen der Ärzteschaft finden sich auch bei den Erleichterungen im Umsatzsteuergesetz für Vermieter von Praxisräumlichkeiten, bei Maßnahmen zur Sicherung der Medikamentenversorgung oder im Ausbau der ambulanten Rehabilitation.

 

Aus der Sicht der ärztlichen Interessensvertretung ist die Positivliste dennoch unvollständig und zu schlagwortartig ausgefallen. Bekanntlich liegt letztlich der Hund immer im Detail begraben. Das zeigt die sehr konkrete Ankündigung zum Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz: „Zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im Spitalsbereich“ soll auch über den 30. Juni 2021 hinaus eine maximale Wochenarbeitszeit von 55 Stunden möglich sein. - Die ablehnende Reaktion der Spitalsärztevertretung folgte prompt. 

 

Auch das apodiktische Bekenntnis zum System der öffentlichen Apotheken entspricht nicht dem geforderten Ausbau der Medikamentenversorgung durch ärztliche Hausapotheken. Der Hinweis auf die Beibehaltung wohnortnaher und praxisorientierter Lösungen kann bestenfalls als Schutz der bestehenden Hausapotheken verstanden werden.

 

Und die Krankenhausträger und die Sozialversicherung? Für beide lesen sich die bundespolitischen Pläne wie ein deutlicher Fingerzeig, besser zu kooperieren, gemeinsame Leistungs- und Qualitätsziele zu definieren, das System dynamisch weiter zu entwickeln und die Attraktivität für Ärztinnen und Ärzte aber auch für das Pflegpersonal zu erhöhen.