Faktencheck

Der Rechnungshof (RH) hat am 20. Juli dieses Jahres seinen Bericht über die Qualitätssicherung für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte - Prüfzeitraum 2013 bis 2016 - veröffentlich. In seiner Zusammenfassung für die Medien streicht er dabei die Säumigkeit von Bund, Ländern und Sozialversicherungsträger hervor. Diese hätten den Auftrag der Gesundheitsreform 2013 zur Einführung einer standardisierten Diagnosedokumentation und von Methoden zur Ergebnisqualitätsmessung nicht umgesetzt.

Am Ablauf, der Finanzierung und Organisation der Praxisüberprüfungen übt der RH ebenfalls Kritik: unzureichende organisatorische und wirtschaftliche Unabhängigkeit der Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin GmbH (ÖQMed) von der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), Selbstevaluation mit zu geringer Stichprobenzahl, Art der Fragestellung – geschlossenen Fragen mit Ja/Nein – Antwortmöglichkeiten.

 

Gesetzesauftrag und übertragener Wirkungsbereich des Bundes

Die ÖQMed, auf gesetzlicher Basis von der ÖÄK errichtet und beauftragt, führt die Qualitätsüberprüfungen aller ca. 18 000 Arztpraxen in einem, in der Regel fünfjährigen Evaluationszyklus durch. Einschließlich einer sogenannten „Sammelwelle“ wurden in der Zeit von 2012 - 2017 insgesamt 24 000 Arztpraxen überprüft.

 

Organisatorische Unabhängigkeit der ÖQMed

Die Grundlagen für die Überprüfungen werden von einem wissenschaftlichen Beirat vorgeschlagen. Qualitätsexperten von Ministerium, Sozialversicherung, Patientenvertretung, Bundesinstitut für Qualitätssicherung im Gesundheitswesen und anderen Stakeholdern entscheiden über Inhalte und Ablauf der Überprüfung der Ordinationen. Die Generalversammlung der ÖQMed, in der die Eigentümervertreter der ÖÄK sitzen, hat keine inhaltlichen Kompetenzen im Bereich der Qualitätssicherung. So bestimmt es das Ärztegesetz dezidiert.

Die Vorgaben des wissenschaftlichen Beirats, an die sich die Österreichische Ärztekammer zu halten hat, münden in einer Qualitätssicherungsverordnung der ÖÄK, die in enger Abstimmung mit dem für die Gesundheitsagenden zuständigen Ministerium erarbeitet wird und für alle Ärzte bindend ist. Nachdem die Qualitätsüberprüfung im Auftrag des Bundes geschieht, kann diese Verordnung nur mit Zustimmung des zuständigen Ministeriums umgesetzt werden. Nach Abschluss eines Evaluierungszyklus hat die ÖQMed diesem einen Qualitätsbericht zu liefern.

 

Wirtschaftliche Unabhängigkeit der ÖQMed

Alle praxisführenden Ärztinnen und Ärzte zahlen jährlich € 63.- über eine für diesen Zweck ausgewiesene Umlage für die Dienstleistungen der ÖQMed. Diese Umlage, deckt die kalkulierten Kosten für die Praxisevaluierung, die jeden Arzt einmal innerhalb eines Überprüfungszeitraums von fünf Jahren trifft. Für die einzelne Ärztin oder den Arzt fallen damit Kosten von insgesamt € 315.- an. Es werden keine Zuschüsse der ÖÄK für die Praxisevaluierung geleistet. Die Einhebung der Umlage geschieht allerdings nicht direkt durch die ÖQMed sondern im Umweg über die Landesärztekammern und die ÖÄK. Die dadurch fehlende Transparenz wird vom Rechnungshof kritisiert.

 

Selbstüberprüfung der Praxen mittels Fragebogen und Stichproben

Selbstevaluation von Arztpraxen und externe Stichprobenüberprüfungen sind auch international anerkannte Methoden zur Qualitätsüberprüfung. So werden etwa in Deutschland durch Stichproben Kassenarztpraxen ausgewählt, denen dann Fragebögen zur Selbstevaluierung zugeschickt werden. Zudem werden Stichproben zur Direktüberprüfung im Rahmen von Praxisbegehungen ausgewählt. In unserem nördlichen Nachbarland wird die Überprüfung von Qualitätssicherungskommissionen der Kassenärztlichen Vereinigung, also der Interessensvertretung der Kassenärzte, nach wissenschaftlichen Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) durchgeführt. Grundvoraussetzung ist, dass jede Arztpraxis ein Qualitätsmanagementsystem verwendet. Eine Zertifizierung ist nicht verpflichtend.

Selbsterklärungen, Plausibilitätsprüfungen und Stichproben sind oft auch die einzige Möglichkeit die Einhaltung gesetzlicher Normen und die Erfüllung der dort festgelegten und vorausgesetzten Erfordernisse zu kontrollieren. Solche sind auch außerhalb der Qualitätsüberprüfungen etabliert. Große Gruppen könnten - mit einem vertretbaren Aufwand - oft gar nicht anders kontrolliert werden.

 

Grundsätzliches zur Qualitätsüberprüfung

Es gibt nicht eine „einzige“ Methode, die für alle Bereiche passt und richtig ist. - Viele Wege führen in der Qualitätsarbeit und deren Überprüfung zum Ziel. Qualitätsmanagement- und Evaluierungssysteme in Gesundheitseinrichtungen geben nur die Methoden vor, sagen aber noch nichts über die Qualität der Behandlung aus.

Nach Avedis Donabedian, mit dem die Qualitätsentwicklung im Gesundheitswesen eng verbunden ist, bilden eine gute Struktur- und Prozessqualität die Grundlage für eine erwartbare Ergebnisqualität. Die Ergebnisqualität bemisst sich weitgehend in der Veränderung des Gesundheitszustandes im Rahmen der Behandlung. Jeder, der sich eingehend damit beschäftigt weiß, dass eine objektive Ergebnisqualitätsmessung im Gesundheitswesen sehr schwierig ist. Aussagekräftige, objektive, vergleich- und klar messbare Parameter sind schwer zu finden und zu erheben. Sie setzen zudem eine bundesweit einheitliche Datenerhebung und Datenqualität voraus: für knapp 300 Krankenhäuser schon schwierig genug, für 18 000 Arztpraxen kaum und wenn überhaupt, dann nur auf wenige Indikatoren eingeschränkt, möglich.

Eine Tatsache, die auch die Forderung nach Schaffung einer neutralen Plattform des Bundes zur Information der Bürger über die Behandlungsqualität einzelner niedergelassener Ärztinnen und Ärzten relativiert. Eine seriöse Rankingliste über die Qualität einer Praxis ist nicht möglich. Die Unterstützung der freien Arztwahl anhand einer Liste von „guten und schlechten Arztpraxen“ ist ein nicht umsetzbares Unterfangen und muss wohl eine gutgemeinte Illusion bleiben.

Die Qualitätsarbeit einer Praxis ist, wie in jeder Einrichtung, Aufgabe der Führung. Sie hat sich an den jeweiligen medizinischen Erfordernissen, den gesetzlichen, vertraglichen und wissenschaftlichen Vorgaben, insbesondere aber an den Bedürfnissen und Erwartungen der Patientinnen und Patienten zu orientieren. Besonders in öffentlich organisierten und finanzierten Bereichen beeinflussen - von den Praxisinhabern nicht veränderbar - die verfügbaren Ressourcen die Qualitätsarbeit.

Qualitätsmanagement und Qualitätsevaluation sind grundsätzlich nicht auf Strafen und Sanktionen ausgelegt. Sie haben die Beschäftigung mit dem Thema Qualität, die Motivation zur Qualitätsarbeit sowie den kontinuierlichen Verbesserungsprozess als Ziel. Wichtig ist, dass sie bei allen Beteiligten Akzeptanz finden, Anstoß zur Qualitätsarbeit leisten, die transparente Darlegung des Bemühens um Qualität fördern sowie zur Erreichung und der Messung von Qualitätszielen anspornen und befähigen.

 

Gültig für alle Bereiche

Qualitätsarbeit setzt den Willen zur kontinuierlichen Verbesserung voraus. Ein Prozess, der in allen Bereichen gilt. Dem folgend wurden für die gerade angelaufene Evaluierungswelle der ÖQMed die Fragebögen bereits im Sinne der Vorschläge des Rechnungshofs umgestaltet. Ebenso proaktiv müssen auch die übrigen Kritikpunkte diskutiert und bewertet werden. - Ein objektiver Faktencheck, der dann allerdings für alle, die an der Verbesserung der Qualitätsevaluation arbeiten, zu gelten hat.