„…Im Rahmen dieses Gespräches werden die von Ihnen bekanntgegebenen Gesundheitsdaten und weitere erforderliche Daten zu ihrer Person verwendet und gespeichert. Genaue Informationen dazu erhalten Sie durch Drücken der Taste 2. Wenn Sie dieser Datenverwendung zustimmen, drücken Sie die Taste 1, um das Gespräch fortzusetzen. Wenn Sie damit nicht einverstanden sind, legen Sie bitte auf!“ Soweit die automatische Telefonansage, streng und kompromisslos: Stimme zu oder schleich dich!
Als unbedarfter Anrufer könnte man jetzt verunsichert sein. Aber keine Sorge, sie haben weder irrtümlich die Nummer eines Telefon- oder Internetproviders gewählt noch sind sie in der Hotline eines Abschleppdienstes gelandet. Denn nach dem Drücken der Eins schallt ihnen ein „Herzlich Willkommen bei 1450 der elektronischen Gesundheitsberatung" entgegen. Nach Bekanntgabe ihrer Adresse und Beschwerden werden sie zum Kernstück des Systems umgeleitet. Hier ertönt wieder eine automatische Ansage mit einem „Herzlich Willkommen bei ihrer Gesundheitshotline“ und bittet sie, unter Verweis auf die Warteschleife, um Geduld. Beruhigende Zwischenmusik versüßt das Warten.
Die erste Hürde ist geschafft. Unter Verzicht auf ihr Recht, der Speicherung ihrer persönlichen Daten zu widersprechen, kann die Gesundheitsberatung beginnen. Hätten sie nicht darauf verzichtet, dann wären sie nie soweit gekommen. Egal wie krank sie sind, wie dreckig es ihnen geht oder wie wichtig ihre Fragen auch sind. Der Kniefall vor der geforderten Datenspeicherung geht vor. Wie verbindlich diese erzwungene Zustimmung zur Datenverwendung letztlich ist und wie willensfrei ihre Entscheidung tatsächlich war, steht jetzt nicht zur Diskussion. Schließlich ist man ja krank und braucht Hilfe.
Die soll die diplomierte Pflegeexpertin am Telefon bieten. Nach einer Überblicksfrage folgen Salven von geschlossenen Fragen, die zumeist nur die Antwort ja oder nein offen lassen. Selbst beim Versuch des Ratsuchenden aus diesem Schema auszubrechen wird er kurz angebunden wieder auf die Schiene des vorgegebenen Algorithmus gebracht. Ob der Anrufer die Fragen und deren Zusammenhänge versteht, ist offensichtlich irrelevant. Schließlich muss er ja auch nicht wissen, warum sein Gelenksschmerz bei emotionaler Belastung stärker werden könnte. Und dass auch Fragen nach HIV-Erkrankung oder Alkoholmissbrauch, so wie die Aufzeichnung der Antworten, sinnvoll und wichtig sind, hat der Anrufer gefälligst zu akzeptieren. Schließlich ist ja er es, der etwas will.
Nach etwa 10 Minuten ist der Fragereigen ohnehin zu Ende, der Fragebogen erschöpft und das halbautomatische Ergebnis präsentierbar. Der finale Rat, das Gesundheitsproblem innerhalb der nächsten 12 Stunden ärztlich abklären zu lassen und inzwischen stündlich für einige Minuten kalte Kompressen aufzulegen, klingt knapp und mager, lässt vieles offen. Offen bleiben auch die Hintergründe für das Fragengewirr. Vermutlich wird man sich die Aufforderung bei weiteren Fragen oder bei Verschlechterung noch einmal anzurufen, gut überlegen. Auch dann, wenn man den Umgang mit elektronischen Helferinnen wie Amazons Alexa oder Apples Siri schon gewohnt ist. Ein Unterschied der elektronischen Begleiterinnen zur telefonischen Gesundheitsberaterin war phasenweise – mit Ausnahme des deutlichen Lokalkolorids der Sprache - nur schwer erkennbar.
Und die Moral von der Geschicht´? Es wird ein System angeboten, das primär „das interne Qualitätsmanagement“, wohl auch zur haftungsrechtlichen Absicherung, bedienen soll: Zustimmung zur Datenspeicherung oder Ausschluss von der Beratung, lautet deshalb die Parole. Wie es dem kranken und hilfesuchenden Anrufer dabei geht und was mit denen geschieht, die einer Datenspeicherung nicht zustimmen, hat keine Relevanz. Diese Fragen sieht der Algorithmus nicht vor.