Hausapotheken stärken wohnortnahe Primärversorgung

 

Ein Hoch der wohnortnahen Primärversorgung! Die gesundheitspolitischen Konzepte nahezu aller Parteien haben sich der Stärkung der Primärversorgung verschrieben. Was den Ballungsräumen ihre Zentren sind, sollten am breiten Land die Vernetzung schon bestehender Praxen oder die Versorgung mit dislozierten Gruppenpraxen leisten: niederschwellig, wohnortnah, umfassend, ganzheitlich, alle gesundheitlichen Probleme der Bevölkerung betreffend, kontinuierlich und unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Bedingungen sollen Zusammenschlüsse von Hausärzten die Bevölkerung auch zu den Tagesrandzeiten und am Wochenende betreuen. Die Zusammenarbeit mit der Krankenpflege sowie orts- und bedarfsabhängig auch mit Fachärztinnen und Fachärzten für Kinder- und Jugendheilkunde, ist die Grundvoraussetzung für eine Primärversorgungseinheit. Diese Zauberformel soll die Spitäler entlasten, die örtliche und zeitliche Verfügbarkeit verbessern. Für akute wie für chronische Patienten. Das auch im Rahmen von Hausbesuchen.

 

Bei all diesen patientennahen Angeboten erscheint es geradezu grotesk, wenn gleichzeitig der Ärzteschaft in dezentralen Lagen die ärztliche Hausapotheke genommen wird und Neugründungen praktisch verunmöglicht werden. Wie ein Hohn klingt es, Wohnortnähe in der ärztlichen Versorgung zu propagieren und dann kilometerlagen Fahrten zur nächsten Apotheke schulterzuckend in Kauf zu nehmen. „Weil Vorschrift ist Vorschrift und das Gesetz ist halt so!“ Eine Monopolstellung für Apotheken, deren Produktmonopol durch einen Gebietsschutz, gebunden an Kilometergrenzen und Einwohnerzahlen, abgesichert ist, verhindert gerade dort, wo die Primärversorgung besonders gestärkt und drohender Ärztemangel verhindert werden soll, eine adäquate Medikamentenversorgung. Wie fatal sich das auswirkt, wissen die Bewohnerinnen und Bewohner ländlicher Gebiete zu berichten.

 

Für sie ergeben sich Situationen, die sich Einwohner größerer Städte, ganz zu schweigen einer Großstadt, gar nicht vorstellen können. Nachdem der dienstbereite Hausarzt die Untersuchung beendet, die Diagnose gestellt und die Therapie vorgeschlagen hat, beginnt besonders zu den apostrophierten Tagesrand- oder Nachtzeiten und an den Wochenenden die Suche nach der nächsten diensthabenden Apotheke. Ein dringendes Rezept in die Hand, heißt es sich mit der näheren und weiteren Geografie zu beschäftigen: Welche Apotheke hat geöffnet, wo bekomme ich meine Medikamente? Da tröstet auch die bestdesignte App nicht, wenn sie anzeigt, dass die diensthabende Apotheke 15 km oder gar 20 km entfernt ist. Bestenfalls heißt das, rein ins Auto und nichts wie hin. Vorausgesetzt der Patient ist fahrtüchtig und verfügt über einen mobilen Untersatz. Oder eine hilfsbereite Seele erledigt den Weg mit dem eigenen Vehikel. Denn Öffis fahren, wenn überhaupt, abends bis Mitternacht bestenfalls im Stundentakt. Danach ist „Fahrstille“ bis die Pendler und Schüler den öffentlichen Morgenverkehr einleiten. Am Wochenende ist die Situation meist noch trister.

 

Die für die Versorgung verantwortliche Apothekerschaft klammert sich an die für sie und ihre Unternehmen günstige Gesetzeslage. Sie beklagt eine ohnehin schlechte Ertragssituation - jede dritte Apotheke schreibe rote Zahlen - und fordert Unterstützung gegen die hohe Kostenbelastung durch die Bereitschaftsdienste. Auch die niedrigen Margen bei den Krankenkassenumsätzen seien ein wirtschaftliches Übel. Dass mit dem Privatverkauf bisweilen noch einmal  fast die Hälfte des Kassenumsatzes, oft mit deutlich höheren Gewinnmargen, zusätzlich erzielt wird, darf dabei nicht vergessen werden. Ebenso nicht die Tatsache, dass die heimischen Zugangsschranken zum Pharmamarkt unserem Land einen veritablen Versorgungsmangel bescheren. Mit 16 öffentlichen Apotheken pro 100 000 Einwohnern rangiert Österreich weit hinter Deutschland. Dabei liegt auch unser nördlicher Nachbar mit seinen 25 Apotheken pro 100 000 Einwohnern noch deutlich unter dem europäischen Durchschnittswert von 31 Apotheken. Weitflächige Bereitschaftsdienstsprengel machen den Mangel besonders in der Nacht sowie an Feiertagen und Wochenenden spürbar.

 

Die Bezirksverwaltungsbehörden, die für die Bereitschaftsdienstregelung zuständig sind, könnten dem entgegenwirken und auch der Arbeiterkammer wäre es möglich sich wehren. Schließlich ist die Arbeitnehmervertretung laut Gesetz zur Diensteinteilung zu hören. Alle Parteien, die in ihren Programmen für eine bessere Primärversorgung plädieren, haben es in der Hand, die Monopolstellung der Apotheken zu lockern, damit ärztliche Hausapotheken den realen Versorgungsbedürfnissen der Bevölkerung entsprechend möglich werden. Schließlich machen Primärversorgungseinheiten auch nur Sinn, wenn die Medikamentenversorgung zeit- und wohnortnah gesichert ist. Als Lösung bietet sich an, den in ländlichen Regionen zusammengeschlossenen Hausärztinnen und Hausärzten ärztliche Hausapotheken anzubieten.

 

Denn Österreich ist im internationalen Vergleich nicht nur ein „low primary care land“ sondern hinkt auch in der Medikamentenversorgung den meisten europäischen Ländern nach.