Und täglich grüßt das Murmeltier!

 

Schon wieder Primärversorgung. Im letzten Abdruck gab es vor der parlamentarischen Sommerpause und dem frühzeitigen Ende der Legislaturperiode eine Einigung der Koalitionsparteien zum Gesundheitsreformumsetzungsgesetz 2017 (GRUG 2017) und damit auch zum Primärversorgungsgesetz 2017 (PVG 2017).

 

Für die ÖVP, die so das altbewährte Hausarztsystem gerettet wähnte und die Anstellung von Ärzten in Primärversorgungseinheiten verhindert wusste, ist damit die Causa offensichtlich abgeschlossen. Anders beim Koalitionspartner. Hier bekräftigte Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner bei einem Kärnten-Besuch gegenüber den Medien die Pläne zur Errichtung von sechs Primärversorgungszentren in Kärnten. Österreichweit sollen bis 2021 insgesamt 75 solcher Zentren entstehen, so die Bundesministerin. Gleichzeitig verwies sie auf einen mit 200 Millionen Euro gefüllten Fördertopf, mit denen die Ärzte, die sich zu solchen Zentren zusammenschließen wollen, unterstützt werden. Sie stellte die Mittel zur Anschubfinanzierung für die Errichtung von Gebäuden und EDV-Systemen in Aussicht. Interessantes Detail vorausschauender Landespolitik: Im Regionalen Strukturplan Gesundheit- Kärnten 2020 sind schon seit 2015 in weiser Voraussicht des GRUG 2017 sechs zukünftige Standorte für Primärversorgungszentren ausgewiesen.

 

Irritierend ist, dass dezidiert auf die Zusammenarbeit in 75 Zentren zur Verbesserung der Primärversorgung verwiesen wird. So eng sieht es das GRUG 2017 nämlich nicht. Dort ist von Primärversorgungseinheiten die Rede. Diese können durch die Vernetzung bestehender Einzelpraxen oder deren Zusammenschluss in dislozierten Gruppenpraxen entstehen. Auch Gruppenpraxen an einem Standort oder Ambulatorien können Primärversorgungseinheiten sein. Wenn im GRUG 2017 von Zentren die Rede ist, dann als Gegenstück zu den Netzwerken von Einzelpraxen. Welchen Versorgungstypus die 75 Planungsvorhaben letztlich haben werden, ist derzeit noch offen. Die Entscheidung hängt nämlich von der jeweiligen regionalen Strukturplanung und vom Stellenplan ab. In vielen Regionen wird zudem das Angebot zur Vernetzung bestehender Praxen den Zielsetzungen einer wohnortnahen Primärversorgung viel mehr entsprechen als eine Zentralisierung.

 

Irritierend ist auch, was es mit den 200 Millionen Euro an Fördermitteln auf sich hat. Wie kann diese Summe jetzt schon für Anschubfinanzierungen reserviert sein, wenn der Artikel 31 der entsprechenden Bund-Ländervereinbarung lediglich vorgibt, dass anzustreben sei, Finanzmittel in dieser Höhe zweckzuwidmen. Der Zweck erschöpft sich dabei nicht ausschließlich in der Anschubfinanzierung von sich zusammenschließenden Allgemeinmedizinern. Der Fördertopf ist ganz allgemein für die Stärkung der ambulanten Versorgung, zwar insbesondere für den Aufbau der Primärversorgung aber auch für den Aufbau multiprofessioneller und/oder interdisziplinärer Versorgungsangebote in der ambulanten Fachversorgung vorgesehen. Neben Zuzahlungen zur Anschubfinanzierung, so der Auftrag des Gesetzgebers, soll der Mehraufwand zum Status Quo unterstützt werden. Gemeint ist damit nicht primär die Stützung ärztlicher Leistungen sondern die Finanzierung eines erweiterten Leistungsangebotes, das sich aus der Integration weiterer Berufsgruppen ergibt. Besonders haarig wird es für die Ärzteschaft, da die Krankenkassen den Fördertopf mit Einsparungen aus den derzeitigen Honorarausgaben für ärztliche Hilfe befüllen müssen.

 

Wie sollen unter diesen Prämissen Ärzte für die neuen Versorgungsprojekte gefunden werden? Noch dazu mit dem Risiko der Zusammenarbeit mit Partnern, die sie mehr oder weniger gut oder gar nicht kennen? Glaubt man wirklich, dass der neue Gesetzesrahmen ausreicht, Ärztinnen und Ärzte zu Firmengründungen und gemeinsamer Niederlassung zu motivieren? Oder werden unausgesprochen primärversorgende Ambulatorien angepeilt, deren Eigentümer und Betreiber Krankenkassen oder Krankenhäuser sind? Dann ist es nicht unrealistisch, dass Ernest Pichlbauer die Wette gewinnt, wenn er in seinem Rezeptblog schreibt: „ich wette, die 200Mio holen sich Spitäler und Kassen für eigene Ambulatorien“. Schließlich sind die Eigentümer solcher Ambulatorien gesetzlich auf gemeinnützige Anbieter gesundheitlicher oder sozialer Dienste sowie auf Krankenversicherungsträger und Gebietskörperschaften eingeschränkt. Ärzten ist diese Möglichkeit verwehrt. „Honi soit qui mal y pense.“